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Sexualisierte Gewalt und digitale Medien
Digitale Medien sind in unserem Alltag – das heißt auch dem von Kindern und
Jugendlichen – so dauerhaft präsent, dass eine Unterscheidung zwischen digital und nicht digital oder aber on- und offline kaum noch haltbar ist. Spätestens
seit der Verbreitung von Smartphones werden erhebliche Teile des Lebens offensichtlich oder im Hintergrund durch Algorithmen, Apps, Foto- und Videotechnik
ausgewertet und verarbeitet. Ein digitaler Verzicht ist selbst ohne die zuerst
assoziierten Endgeräte wie Smartphones kaum möglich, weil Technik in unterschiedlichste Gegenstände und Dienste (z. B. Auto, Fernseher, Uhren) integriert
ist. Ihre Nutzung ist zunehmend teilhabenotwendig. In den Sozialwissenschaften
wird diese Weiterentwicklung und Verschmelzung von Lebenslage und Kommunikationstechniken als Mediatisierung bezeichnet (Hartmann & Krotz, 2019).
On- und Offline sind demnach als ein Kontinuum zu begreifen, in welchem
digitale Medien lediglich unterschiedlich bewusst und unbewusst, häufig und
selten, intensiv und extensiv, motiviert und unmotiviert, zweckbestimmt und zweckunbestimmt genutzt werden. Als Lern- und Erfahrungsort, der die Bedeutung
und Einflussmöglichkeiten der Institutionen Schule und Familie mitbestimmt,
erfüllen digitale Medien nicht nur situative und soziale (z. B. Information und
Unterhaltung, Peerkommunikation, Meinungsbildung), sondern auch biografische
Funktionen (z. B. Identitätsentwicklung, Selbstvergewisserung) (Aigner et al.,
2015; Kärgel & Vobbe, 2019). Als essenzielles Element kindlicher und jugendlicher Identitätsentwicklung sind digitale Medien Bestandteil der sexuellen und
geschlechtlichen Sozialisation. Hierbei geht es um die Auseinandersetzung mit
dem eigenen Körper, das Erkunden der persönlichen Begehrensstrukturen, den
Aufbau romantisch-intimer Beziehungen sowie die eigene Positionierung im
Kontext dominierender Geschlechterrollenbilder. Über digitale Medien beziehen
junge Menschen sexualbezogene Informationen, suchen nach potenziellen Sexualoder Beziehungspartner*innen, versuchen sich im Flirten und erproben, wie es
um ihre Attraktivität und Selbstinszenierung steht
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